Wenn der Drogendealer morgens 2x klopft – Marokko die 1.!

 

Es ist bereits später Abend, als die Fähre in Tanger Med anlegt. Vor gut zwei Tagen sind wir in Genua, Italien, mit unserem Reisegefährt Silvio in den Bauch des Schiffes gefahren und haben währenddessen eine überraschend angenehme Zeit an Bord verbracht. Auch wenn das Bordrestaurant an vegetarischen Speisen nichts anderes als grünen Salat im Angebot hatte! 😉

Während der Überfahrt konnten direkt alle Formalitäten für die Einreise, auch für das Fahrzeug, erledigt werden. Wer noch mehr über die Fährpassage wissen möchte, welche Fragen wir uns vorab dazu stellten und wie es letztendlich abgelaufen ist, kann gerne in folgendem Artikel weiterlesen: Fähre nach Marokko – Alles rund um die Überfahrt von Italien mit GNV

Dank der erledigten Formalitäten gelangen wir zügig vom Schiff. Neues Land, neue Kultur, neuer Kontinent – 3 Monate dürfen wir visafrei bleiben! 🙂 Erst wundern wir uns noch etwas, wieso fast alle Fahrzeuge in Richtung Atlantik und somit der Autobahn gen Süden davon fahren. Wir bleiben bei unserer angedachten Route und biegen bei der Hafenausfahrt nach „links“. Diese soll uns noch ein Stück entlang der marokkanischen Mittelmeerküste führen. Unweit des Hafens finden wir einen passenden Platz für die Nacht. Gegen 22 Uhr treffen wir dort ein und das Thermometer bestätigt die gefühlt lauen Temperaturen mit der Anzeige von 17 Grad! Ein sich sehr gut anfühlender Start in unserem seit langem gewünschten Land für die Wintermonate.

 

Unsere Route in den ersten zwei Wochen im Land.

 

Wir erwachen mit Blick auf die Meerenge von Gibraltar und einem Strand direkt „vor der Fahrzeugtür“. Traumhaft! Solange man den Blick in die Ferne schweifen lässt. 😉 Denn leider sammelt sich am Rand rund um die kleine Schotterfläche, auf der wir stehen, der Müll.

 

Unser erster Stellplatz: Idyllisch von oben betrachtet…

 

…solange man nur nicht nach unten sieht. 🙁

 

Nun gut, kennen wir leider schon aus dem ein oder anderen Land. Auf an den Strand!

Hier lässt es sich klasse Sonnenbaden (Sophia) und Schiffe aller Art beobachten (Chris). Ist die Straße von Gibraltar als Verbindung zwischen Mittelmeer und Atlantik mit rund 300 Schiffsdurchfahrten pro Tag doch mit eine der meist befahrenen Meerengen der Welt.

Zu dieser Jahreszeit haben wir den ganzen Strand für uns allein, mal abgesehen von den von ihren Fahrern über den Sand gejagten Strandbuggys. Am späten Nachmittag wird es kühler, wir erweitern unser Equipment mit Kissen und Decken aus dem Fahrzeug. Dies führt zu Irritation bei den Leuten vor Ort. Als es langsam zu dämmern beginnt, spricht uns ein Mann an und macht uns verständlich, dass hier campen / übernachten nicht sicher sei. Kein Problem, ist ja überhaupt nicht unser Plan! 🙂 Schließlich haben wir es in unserem Fahrzeug „Silvio“, welches auf dem etwas oberhalb liegenden Platz steht, wesentlich gemütlicher. Das wollen wir ihm so nicht sagen, nicht, dass wir diesen auch noch verlassen müssen. Aber wir können ihm verdeutlichen, dass wir hier nur noch etwas sitzen wollen. Trotz allem dauert es nicht lange und der „Besorgte“ taucht mit zwei Soldaten samt Schutzhund im Schlepptau auf. Gleiches Kommunikationsspiel wie paar Minuten zuvor. Um dieses nicht länger als notwendig zu halten, packen wir unsere Sachen und ziehen von dannen. Dass sich solche Situationen in den folgenden Wochen noch öfters wiederholen werden, ist uns in diesem Moment zum Glück noch nicht bewusst! -.-

Mit einem Umweg gehen wir zu unserem Fahrzeug zurück, wollen wir doch möglichst unentdeckt und ungestört hier noch eine Nacht verbringen. Jedoch klopft es gegen 22 Uhr an eine Seitenscheibe des Fahrzeugs! Chris begibt sich nach draußen, dort steht jedoch niemand. Einmal ums Fahrzeug rum, niemand zu sehen. Nun gut, besser ein überraschender Streich, als um diese Uhrzeit davon geschickt zu werden.

 

Entspannen und ankommen auf dem neuen Kontinent!

 

Nachdem wir bis zu diesem Zeitpunkt den Strand schon ein paar Tage genießen durften, ziehen wir daher am darauffolgenden Tag weiter. Schließlich sind auch noch ein paar Erledigungen zu machen! In neuen Ländern außerhalb Europas, sind dies meist Dinge wie das Organisieren der Lokalwährung und einer Handykarte.

Durch die Suche nach einem Bankautomat ohne Automatengebühren (zur Info: die günstigste Gebühr findet man bei der Attijriwafa Bank, zudem liegt dort die max. Abhebesumme höher), vergeht relativ viel Zeit und Strecke bis wir die ersten Scheine marokkanischer Dirham in der Hand halten. So kommt es hier zu den ersten für uns überraschenden Situationen, in denen wir auf der Straße nach Geld angesprochen werden. Bisher für uns, in den 1,5 Jahren unterwegs, eine sehr selten vorkommende und in Summe an einer Hand abzählbare Situation.

 

Blick über M’Diq von einem unserer ersten Stellplätze aus.

 

Auf Höhe der Stadt Tetouan verlassen wir die Mittelmeerküste und begeben uns in das Landesinnere. Denn würde man der Küstenlinie weiter folgen, gelangt man in die Regionen Marokkos, von denen in vielen Reiseführern auch heute noch abgeraten wird, diese alleine zu bereisen. Fehlende staatliche Kontrolle und die durch den Anbau und Handel von Haschisch vorhandenen Strukturen, machen diesen Landesteil weiterhin gefährlich für Touristen.

Während einer kurzen Besichtigung Tetouans erhaschen wir erste schöne Blicke auf die arabische Architektur. Einige Bilder aus der Altstadt öffnen sich durch den Klick auf folgende Galerie:

 

 

Öfters hatten wir in der Zwischenzeit nun schon von der „Blauen Stadt“ gelesen bzw. erste Bilder gesehen. Obwohl die Stadt Chefchaouen auch eines der Zentren für den Haschisch-Anbau in Marokko ist, scheint auch die touristische Seite hier zu funktionieren.

So steuern wir einen Stellplatz für die Nacht unterhalb der Stadt an und wollen eigentlich den darauffolgenden Tag bei herrlichem Sonnenschein dort ebenso verbringen. Mit einem späten Frühstück, vor dem Fahrzeug sitzend, starten wir in den Tag. Kurz vor dem ersten Bissen, läuft ein Junge, scheinbar auf dem Heimweg von der Schule, an uns vorbei. Er zögert nicht lange und fragt nach Schokolade. Während wir noch überlegen, folgen in der Zwischenzeit weitere Jungs und Mädchen im Grundschulalter. Sie kommen direkt auf uns zu; in guter Kleidung und optisch in keiner Weise bedürftig. Ehe wir uns versehen, sind wir von der kleinen Gruppe umringt und jeder möchte nun gerne etwas von unserem Tisch abhaben. Das ist dann doch etwas zu viel und wir versuchen ihnen dies freundlich zu erklären. Leider bringen die Erklärungen wenig, recht schnell fangen die Kinder an, unsere Sachen in die Hände zu nehmen und wir können sie nur schwer davon abbringen, sich selbst zu bedienen. Das stößt auf wenig Freude und die Stimmung kippt auf Seiten der Kinder ins Bewertende und Herablassende. Besonders die Jungs stellen sich hier in den Vordergrund und provozieren bald mit universell verständlichen Gesten, z.B. ob wir im Oberstübchen nicht ganz sauber wären. Es dauert letztlich gefühlt ewig, bis sich auch das letzte Kind aus dieser „Horde“ auf den Weiterweg begibt. Nicht ohne uns noch zu verdeutlichen, wir hätten hier nichts verloren und sie würden die Polizei rufen. Dabei noch mit Stöcken unseren bei uns sitzenden Hund bedrohend. Uff! Was ein Schock! Waren das wirklich Kinder im Grundschulalter? Der Tag an diesem Platz ist definitiv gelaufen.

Chefchaouen wollen wir uns trotzdem nicht entgehen lassen. Da uns der Appetit erst mal vergangen ist, packen wir schleunigst unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg in die Stadt. Rätselten wir vor einigen Tagen bereits um Tetouan herum noch, was wohl die Herren mit den klimpernden Schlüsselbunden an den Straßenrändern machen, wird uns das spätestens in Chefchauen klar! Dass es wohl keine Appartements zur Miete sein werden, war uns fast klar, aber dass so offensichtlich Drogen feil geboten werden, hat uns dann doch mal wieder überrascht. Gleich nachdem wir unser Fahrzeug abgestellt hatten, lauert uns einer dieser Herren auch direkt auf. Wir versuchen weiterhin freundlich zu sein und lehnen sein Angebot über das beste „Kiff“ ab. Das hält ihn aber nicht davon ab, weiter um unser Fahrzeug herum zu schleichen, während wir drinnen ein paar Dinge für die Stadtbesichtigung zusammen packen. Das verunsichert uns nun doch etwas, wo wir hier wohl gelandet sind?!

Mit dem Erlebnis des Vormittags noch immer im Nacken, überlegen wir, ob wir nicht einfach weiter fahren sollen. Letztlich ziehen wir doch los, beantworten die Frage des Dealers „Where are you from?“ mit einem schmunzelnden „from the world“ und begeben uns in die Gassen der blauen Stadt.

Folgt uns mit einem Klick zu den sehenswerten Seiten der Stadt Chefchaouen:

 

 

Die kommende Nacht wollen wir nur ungern in oder in der Nähe der Stadt verbringen und fahren daher nach einer kurzen Besichtigung weiter. Abseits von Siedlungen finden wir einen Stellplatz an einem Fluss, mit der Hoffnung verbunden, dort die Nacht in Ruhe zu verbringen. Die Nacht über bleibt es ruhig. Doch aus dem Schlaf werden wir gerissen, als es für uns deutlich zu früh, von draußen ins Fahrzeug schallt: „Good Morning“ – verbunden mit dem Angebot Drogen zu erwerben!

Für den ein oder anderen sicher die Traumvorstellung schlechthin, feinstes Haschisch direkt ans Bett geliefert zu bekommen. Für uns aber nur ein unangenehmer Moment mehr in der kurzen Zeit in diesem Land.

Da hilft nur die Flucht nach vorne! Versuchen wir es mit der Atlantikküste, denken wir uns. Also querfeldein rund 3 Stunden Fahrt nach Westen, bis wir die Wellen rauschen hören können. Das Wetter ist mit Nieselregen und grau verhangenem Himmel passend zu unserer Stimmung im Fluchtmodus. Schnell merken wir, die Route führt uns durch Gegenden, die sicher selten von Touristen durchfahren werden. Aber nicht nur an Touristen mangelt es, was meist wenig von Nachteil ist, sondern in Gänze an einer vorhandenen Müllentsorgung! Ohne Übertreibung sind die letzten 100km unserer Strecke in und außerhalb der Ortschaften von Müll übersät. In keinem der Orte gibt es auch nur eine einzige Mülltonne zu sehen und so landet der Müll einfach überall! Teilweise so extrem, dass kein Erdboden mehr zu sehen ist. Bis kurz vor Ziel der Fahrt begleitet uns dieses Bild und lässt uns sehr zweifeln, wie die Reise für uns hier weitergehen soll.

 

Ein in sehr vielen Städten Marokkos gängiges Bild: Müllentsorgung direkt vor der Wohnungstür. Von Babywindeln über Plastikverpackungen bis hin zu Nahrungsabfällen landet hier alles.

 

Jede kleine Freifläche wird dazu genutzt, hier sogar direkt vor der Moschee. Neben Umwelt, Gesundheit und Anblick leidet auch die Nase unter dem entsprechenden Geruch.

 

Die Verpackungen zeugen auch von einfach unnötigen Käufen und mahnen zum Bewusstsein beim täglichen Konsum – überall auf der Welt!

 

Am Atlantik, in der Ortschaft Moulay Bousselham angekommen, finden wir in der Nähe des geschlossenen Campingplatzes einen passenden Platz um dort ein paar Nächte zu verbringen. Der Ort liegt an einer Lagune, welche für ihren Vogelreichtum bekannt ist. Diese wollen wir bei einer Bootstour kennen lernen. Im Hafen hat es ein kleines Lokal mit leckerem Frühstück und das Wetter lädt zum Verweilen im riesigen Garten des ehemaligen Campingplatzes ein. Wir lernen ein britisches Pärchen kennen, welches mit seinem Transporter neben unserem nächtigt und verbringen unterhaltsame Stunden. So holen wir etwas Luft und verwandeln uns langsam vom Fluchttier wieder zurück zum Menschen. 😉

Lasst euch von der folgenden Galerie überraschen: 😉

 

 

Mit Hassan finden wir einen erfahrenen Vogelkundler, welcher die Lagune seit vielen Jahrzehnten kennt. Auf seinem Boot und mit Ferngläsern ausgerüstet durchfahren wir die Wasserwelt und erfahren von ihm auf der fast 3-stündigen Tour viel über die hier dauerhaft oder zeitweise lebenden Vögel. Mit gutem Englisch erzählt er uns auch viel über die Veränderungen in der Lagune über den Zeitraum der letzten Jahrzehnte. Die Lagune ist nicht geschützt und der gängigen Wilderei und Umweltverschmutzung schutzlos ausgeliefert. Verbunden mit dem immer weiter schwindenden Lebensraum der Zugvögel in Europa, stellt er einen deutlichen Rückgang bei allen Populationen fest. Dies geht soweit, dass manche ganz verschwinden.

Bestaunt mit uns die gefährdete Vogelwelt der Lagune durch einen Klick auf das folgende Bild:

 

 

Mittlerweile erinnern wir uns öfter an den Moment der Ankunft und unserer Verwunderung, wieso sich alle Fahrzeuge direkt in Richtung Autobahn gen Süden gewandt haben. Nun ist uns klar: Es hat offenbar seinen Grund, dass wir in den vergangenen zwei Wochen fast kein Wohnmobil oder Reisegefährt gesehen haben…

Bleibt gespannt, wie und ob unsere Reise in Marokko weiter geht!

Kulturgeschockte Grüße

Chris & Sophia

 

 

 

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4 Kommentare

  1. Das ist mal ein ganz anderer Reisebericht aus Marokko (von denen ich in letzter Zeit bei Youtube viele gesehen habe). Bin schon sehr gespannt, wie es Euch weiter ergangen ist!

    Liebe Grüße
    Günter

    • Lieber Günter, schön von dir zu hören! 🙂 Ab einem gewissen Punkt können und wollen wir nicht mehr nur die Sonnenseiten eines Landes zeigen. Im Fall von Marokko ist uns dies leider relativ schnell vor Ort bewusst geworden. Ob wir die Schattenseiten überhaupt im Internet bei einer Vorabrecherche entdeckt hätten? Bisher sind uns ebenso relativ wenige kritisch-realistische Berichte bekannt. Umso größer der Realitätsschock! 😉

      Schön, dass du weiter dabei bist! Viele liebe Grüße!

  2. Vielen Dank, ihr liebsten Reisenden, für diesen v.a. auch Aufklärungsbericht! Ich kann euren Schock über Menschen und Menschen-geprägte “Ex-Natur” sehr gut nachempfinden. Und es ist traurig mit dem Müll…noch mehr Grund fürs unverpackt kaufen!!:-D Die Vogelschau ist allerdings toll! Danke fürs mitteilen und weiterhin alles Liebe! Eure Leni

    • Liebe Leni, schön wieder einen Kommentar von dir zu lesen! Danke für deine Rückmeldung über diesen Weg samt deiner Gedanken, welche unseren sehr ähneln. Viele liebe Grüße und bis bald!

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