Zu Dritt unterwegs im wild-schönen Bulgarien

Nie hätten wir gedacht, dass wir ausgerechnet in Bulgarien wieder einen vierbeinigen Begleiter finden würden.

Rumänien war quasi DAS Hundeland gewesen – überall herrenlose Hunde, in fast jeder Straßenbucht, wo sich der offenbar leider unvermeidliche Müll sammelte.

Auch in Bulgarien gibt es diese vermüllten Buchten, allerdings ohne Hunde. Und die frei lebenden Hunde, die wir in Städten sehen, haben oftmals eine Marke im Ohr. Diese bedeutet wohl, dass sie kastriert und geimpft sind. Sehr sinnvoll!

Insofern sind uns begegnende Hunde eher eine Seltenheit. Und doch, bei einem Stellplatz werden wir gleich von einem hübschen dreifarbigem Hund begrüßt, der hier offenbar „wohnt“. Er ist sehr freundlich, neugierig und zutraulich. Er bleibt die nächsten drei Tage, die wir an diesem schönen Ort verbringen, immer in unserer Nähe. Wir „beschnuppern“ uns gegenseitig ein wenig und beschließen dann nach einer Probenacht im Silvio und einem Probespaziergang, zu dritt weiter zu ziehen 🙂

Wir taufen ihn „Tenio“ – ein echt bulgarischer Name! Und erfahren vom Tierarzt, zu dem wir bald mit ihm gehen, dass er circa ein Jahr alt und wohl ein echt bulgarischer Jagdhund ist! „Ludogorsko Gonche“ – auf englisch „crazy forest“. Was das bedeutet, wird klar, sobald wir seine Superspürnase näher in Aktion erleben…so bekommt unser Energiebündel bald noch einen Spitznamen von uns: Frech-Fratz!

 

Der Tenio – zu dem Zeitpunkt noch etwas wenig Fleisch auf den Knochen, aber bereits schön anzuschauen 🙂

 

Wir modeln hundebedingt unseren Reiseplan etwas um und bleiben bewusst in Bulgariens sehr ländlichen Berggegenden.

Die meiste Zeit verbringen wir in den Rhodopen, die von Fichtenwälder bedeckt sind. Hier verläuft auch die Grenzregion zu Griechenland, in der aber witzigerweise kein Grenzübergang mit eigenem Fahrzeug möglich ist. Wir erkunden hier etwas das Arda-Tal in besagter Grenzregion und kaufen köstlichen Käse in der Molkerei „Rhodopa Milk“, dessen Inhaberin extra für uns nochmal ihren Verkaufsraum öffnet.

Etwas Sightseeing darf es auch sein: Wir bestaunen unter anderem das Naturwunder der „Wonderful Bridges“, riesige Marmorformationen, die auf natürliche Weise vor Urzeiten entstanden sind. Und das bekannte Bachkovo-Kloster lockt uns: Wir bewundern seine über und über bemalten und geschmückten Wände samt Kronleuchtern und herrlichem Altar. Da wird unsere ästhetische Liebe zu orthodoxen Kirchen endgültig erweckt!

Ein Klick öffnet die Galerie:

 

 

Allerdings gibt es nicht nur wunderschöne Kirchen in den Rhodopen. Hier finden wir auch Moscheen in fast jedem kleinen Ort. Die Einwohner sind hier tatsächlich meist muslimischen Glaubens. Und mit etwas Glück dürfen wir auch ein paar Mal den Gesängen der Muezzine lauschen. Ein magischer Vorgeschmack auf den Orient!

 

In den Rhodopen sehen wir in vielen Orten Minarette.

 

Während der Reisetage genießen wir immer wieder kurze Begegnungen mit offenen Einheimischen, wodurch wir angespornt werden, etwas Bulgarisch sprechen zu lernen. Tatsächlich können wir am Ende der 9 Wochen schon einige Alltagswörter und kurze Sätze zum Besten geben und sogar ganz passabel die kyrillische Schrift lesen. Das erleichtert doch ungemein, mussten wir am Anfang geschriebene Wörter zum Übersetzen mühsam mit „geratenen“ Buchstaben diktieren.., etwa “ein umgedrehtes R“, „das Dreieck ohne Strich unten dran“, „X mit Strich in der Mitte“ und ähnliches 🙂

 

Das russische Alphabet hilft auch beim bulgarischen Kyrill weiter 😉

 

Und falls wir mal nicht weiterkommen mit Wortgestöpsel, Händen und Füßen, gibt es – im Vergleich zu bisher bereisten Ländern – überraschend viele Bulgaren, die Englisch sprechen.

Umdenken für uns heißt es auch bei der Interpretation und dem Einsetzen von Kopfnicken bzw. -schütteln: In Bulgarien ist die Bedeutung nämlich umgekehrt zur Bedeutung in beispielsweise Deutschland. So darf man sich nicht wundern, wenn auf eine Frage ein Kopfschütteln und „da“ („ja“) als Antwort kommt.

Auch beim Lesen der Speisekarten der „mexaha“ (sprich: „Mehana“), der bulgarischen Tavernen, ist etwas Schrift- und Wortkenntnis überaus hilfreich. Wir entdecken nämlich in den Rhodopen unsere Vorliebe für die bulgarische Küche! Diese punktet mit großer Auswahl im Menü, überraschend viel Vegetarischem, viel mit Käse und Eiern, viele verschiedene Salate und köstliche Aufläufe oder Rausgebackenes. So lernen wir z.B. Patatnik kennen. Wie Chris hierzu treffend beschreibt: „Die haben geriebene Kartoffeln, Ei und Käse in einen dünnen Pfannkuchen eingebacken! Die wissen einfach, wie man isst!“ 🙂 Und diese Vielfalt zu meist recht kleinem Geld. Genial!

 

Der heimeligste Besuch einer Mehana, mit dem Tisch direkt am offenen Kamin.

 

Bei diesen Preisen lässt es sich auch spontan zur Mittagszeit einkehren. (Betrag durch zwei geteilt ergibt diesen in Euro!)

 

Ebenfalls genial ist, dass es zu dieser Jahreszeit an etlichen Straßenbuchten selbsteingekochte Marmeladen und verschiedenste Honigsorten von „mobilen“ Händlern zu kaufen gibt. Hier entdecken wir z.B. auch wieder Schwarze Walnuss- neben feinen Beerenmarmeladen.

 

Wir decken uns mit Marmeladen, Honig und 10kg Kartoffeln an verschiedensten Straßenständen ein.

 

Und absolut reise- und menschenfreundlich sind die Trinkwasserquellen, die es an fast jeder Straßenkurve und sogar auch mal an Wanderwegen gibt. In der Regel stehen hier auch ein bis zwei Trinkbecher bereit, damit der Durst bequem gelöscht werden kann. Gerade in den Rhodopen sind neben diesen Quellen oftmals sogar aufwendige Picknickplätze installiert, samt Überdachung, Sitzgelegenheiten und manchmal sogar mit Grill.

 

Die vielen Quellen machen es uns einfach unsere Wasservorräte aufzufüllen.

 

Trinkwasserquellen in den verschiedensten Formen und Größen entlang von Wegen und Straßen gehören zum Bild, besonders in den Rhodopen, dazu.

 

Sogar Toilettenvorrichtungen finden wir immer wieder an solchen Plätzen und auch an Park- oder Stellplätzen, in eigens dafür gezimmerten kleinen Verschlägen mit ausgesägtem Plumpsklo-Ausschnitt in der Mitte. Da wurde mitgedacht, die Menschen nutzen es offenbar und die umliegende Natur bleibt somit sauber 🙂

Die Rhodopen sind nicht nur kulinarisch, versorgungstechnisch und religiös eine Überraschung. Auch klimatisch erleben wir hier ein sensationelles Temperaturspektrum von 27 Grad (!), wenig später immerhin 21 Grad auf 1700 Höhenmetern (!) und einige Zeit später nur noch 4 Grad…alles innerhalb des Monats November!

Für bildhafte Eindrücke aus den Rhodopen klickt auf die folgende reich gefüllte Galerie:

 

 

 

Leider machen wir nun auch unsere erste Erfahrung mit Feststecken. Wir fahren über eine augenscheinlich feste Wiese – mittlerweile ist es Anfang Dezember – und versinken sehr schnell ca. 15 cm tief im Matsch. Ohje!

Da hilft nur kreativ sein und kräftig schieben in Kombination mit gefühlvollem Gasgeben…der Mann erledigt letzteres, ist er doch mittlerweile schon Profi im Fahren unseres 3,2-Tonners 😉 Dank guter Teamarbeit und dem Einsatz von trockenen Grasbüscheln schaffen wir es tatsächlich mit eigener Kraft wieder raus und fahren weiter Richtung Piringebirge.

Wir können es kaum glauben, als, im Pirin angekommen, nach den mittlerweile in Summe 5 Reisemonaten innerhalb einer Woche zum zweiten Mal die Reifen durchdrehen und wir nicht mehr vom Fleck kommen.

Diesmal ist es der erste richtige Schnee, der uns gefangen hält. Voll beladen und eine minimalste Steigung auf Waldboden im Schnee zu bewältigen sind offenbar zuviel für ein schweres Gefährt ohne Sperre und ohne Allrad…traurig und etwas desillusionierend hinsichtlich möglicher abenteuerlicher künftiger Stellplatzsuche. Zum Glück wussten wir noch nicht, was uns blühen wird, als wir direkt davor einen herrlichen zweistündigen Schneespaziergang unternommen hatten.

Da hilft nur erneut schieben, steuern, schwitzen und fluchen (Rollenverteilung siehe oben :-D). Dies und ein neuer kreativer Einsatz von „Schneeschaufeln“ (= zwei ca. 30 cm lange Holzscheite…) und unseren Sägespänen, die eigentlich für den Einsatz in unserer Trockentrenntoilette bestimmt sind, machen es auch hier möglich, dass wir 75 Minuten später wieder „auf Kurs“ sind. Hurra!

 

3,2 to. Gewicht “schneiden” sich dann wohl doch schneller in die regenfeuchte Wiese als gedacht 😉

 

Die Piriner Gegend beeindruckt mit ihren Kiefernbergwäldern und Bergen bis zu 3000 Metern hoch. Hier gibt es auch einen der drei Nationalparks Bulgariens, um den wetterbedingt aber nur herum fahren. Der Winter ist nun wirklich da und das Pirin ist bekannt als Skidestination, dies leider oft zum Leid der Umwelt und Natur. Urwälder müssen weichen, laut Reiseführer oftmals sogar illegal, und riesige Hoteldörfer prägen das Bild. Paradoxerweise sind viele davon leerstehend, teils verfallen oder auch oft nur halb fertig gebaut.

Der Verkehr scheint im eher dichter besiedelten Pirin rücksichtsloser zu werden und auch der Müll nimmt hier wieder deutlich zu.

Insgesamt hat Bulgarien leider, gemessen an den bisherigen Ländern unserer Route, das deutlich größte Müllproblem. Ganze Flussufer und sogar Wiesen vor Kleinstädten sind übersät von Plastikmüll. Soviel, dass es kaum zu glauben ist und ich mir unwillkürlich die Hand vor den Mund schlage.

Ein kleines Highlight der Gegend und unser letzten Bulgarienwoche ist das Baden in den heißen Quellen in Rupite. Beziehungsweise nehmen wir das Bad im dazugehörenden kleinen Thermalbad ein, um auch mal wieder in den Genuss einer heißen Dusche zu kommen. Das Wasser ist wirklich angenehm warm, sehr willkommen bei den kalten Lufttemperaturen um uns herum.

Hier beschließt Bulgariens Wettergott leider auch, dass er uns, nachdem er uns vor zwei Monaten mit Regen in seinem Land begrüßt hat, genauso auch wieder verabschieden möchte.

So werden die letzten Tage, die wir eigentlich nochmal viel draußen in der schönen Natur rund um Melnik verbringen wollen, zu eingeengten nassen Nebeltagen. Die tiefen Wolken erlauben uns nur einmal ganz kurz den Blick auf die Sandsteinberge, wegen derer wir hierher gefahren sind. Diese sind teilweise pyramidenähnlich geformt und vom Gestein her ganz ähnlich zu den Rapa Rosie in Rumänien.

Öffnet die Galerie für Eindrücke aus dem Pirin:

 

 

So wollen wir uns nach sehr eindrucksreichen, sehr schönen, aber auch zunehmend anstrengenden 64 Tagen von Bulgarien verabschieden. Nur dass der Abschied nicht ganz so glatt läuft, wie gedacht…mehr dazu im nächsten Beitrag!

Bis dahin – eine gute Zeit!

Sophia, Chris und Tenio 😉

 

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15 Kommentare

  1. Immer wieder schön, Euch auf diese Weise begleiten zu dürfen. Und wie schön für Euch, dass Ihr wieder zu dritt seid. Hübsch sieht er aus, der Frechfratz!

  2. Heidrun Schumitz

    Wie schön, dass Ihr nun mit Tenio Familienzuwachs bekommen habt! Er ist wohl ein sehr liebenswerter Kuschel-Fratz, hat gerade noch bequem auf dem Schoß Platz, was offensichtlich beide genießen ;)!
    Interessant auch, dass in Bulgarien auf 1.700m noch Fichten wachsen – bei uns ist das ja schon Latschen-Terrain.
    Mächtig schöne und ruhige – sprich menschenleer weite – Landschaft!

    • Unser Fratz ist fleißig am Lernen und kuschelt zunehmend hingebungsvoll 🙂

      Die Fichten auf dieser Höhe haben wir so auch nur in den Rhodopen gesehen, im
      Zentralen Balkangebirge war auf dieser Höhe bereits nur noch trockenes Gras und
      somit die Baumgrenze längst überschritten.

      Liebe Grüße
      Sophia & Chris

  3. Ich freu mich schon auf ein Kennenlernen mit Tenio – und natürlich ein Wiedersehen mit euch 🙂 Gute Reise weiterhin und liebe Grüße!

  4. Heidrun Schumitz

    “Die Welt ist unsere Hütte. Wir teilen uns die Luft mit den Eichen- und Tannenwäldern das Wasser mit den Wolken. Wir sind ein Geschenk des Ganzen, stehen mit dem gesamten Werden und Vergehen in Verbindung. Das Herz und der Verstand sind ungetrennt. Ihr Einblick in die Allverbundenheit erweckt ein natürliches Intetesse und Symmetrieempfinden, so dass man seine Umwelt achtsam behandelt. Man erkennt, dass alles auf der Welt den gleichen Nachnamen hat.”
    Diese Gedanken von Jack Kornfield passen zu Euren berührenden Natur-Aufnamen.
    Heidrun

  5. Liebe Sophia, lieber Chris, wie beeindruckend eure Reise zu begleiten. Und wie wunderbar es in dieser Weise mit dem Bus zu tun. Ihr bekommt dadurch einfach einen tiefen Eindruck in das Land, die Landschaft und den Menschen und jetzt auch mit den Tieren. Wie schal ist doch eine organisierte Reise dagegen. Beneidenswert, dass ihr dies in jungen Jahren verwirklicht. Die Fotos sind auch immer wieder wunderbar. Ein Foto hängt nun eingerahmt in meinem Wohnzimmer…..
    Ich wünsche euch eine weitere gute Reise mit eurem neuen Begleiter und nun kommt ja bald der Frühling. Alles Gute Angelika

    • Liebe Angelika,
      wir freuen uns sehr, wieder von dir zu hören!
      Wir genießen unsere selbstbestimmte Art des Reisens auch wirklich sehr. Aber sicher haben andere Arten des Reisens auch ihre Vorzüge, welche wir widerrum etwas hinten anstellen müssen…so hat eine organisierte Reise sicher etwas mehr “Rundum-Entspannung” zu bieten 😉

      Dir schöne erste Vorfrühlingstage und bis bald!

  6. Vielen Dank Euch beiden für Eure erneut so interessanten, spannenden und erzählfreudigen Impressionen aus dem “wild-schönen Bulgarien ” ! Zudem freue ich mich mit Euch, dass Ihr mit Tenio einen Euch so sehr beglückenden “Dritten im Bunde” gefunden habt. Wie ich auch anderweitig von Euch weiß, beschert Euch Tenio immer wieder viel Freude, verlangt Euch aber durchaus auch viel an Lernbereitschaft, Geduld und Nervenstärke ab. Ich denke, es ist wie mit einem kleinen Adoptivkind, dass Ihr nun aufzuziehen und zu erziehen beschlossen habt, damit aus Tenio ein guter, zuverlässiger Lebens- und Reisegefährte wird. Möget Ihr und Euer “Energiebündel” von Tenio, offensichtlich ein typischer Jagd- und Spürhund, oft auch “Schweißhund” genannt, gut zusammen wachsen und in erfreulicher, bereichernder Weise – und nur in bekömmlichen Maßen “schweißtreibend” !! (wie beim Joggen oder Wandern) – Euer “Familienleben” mit Tenio entwickeln und zu einem gut harmonierenden Spürnasen-Trio werden.

  7. Vielen Dank mal wieder euch (jetzt) dreien für diese atemberaubenden Naturein-, -durch- und -ausblicke!:-) …und euer wieder großes schriftstellerisches Talent, das uns oft mit einem Schmunzeln überrascht hat! =) Respekt, dass ihr euch auch noch Kyrillisch und etwas bulgarisch drauf geschafft habt!!
    Alles Liebe euch dreien aus dem wechselnd wind-sonnig-schnee-verregneten Allgäu

  8. PS: Einige Bilder machen sofort Lust auf entsprechende Poster- od. Kalenderdrucke! 😀

    • Liebe Leni,
      dein Kommentar bereitet uns viel Freude 🙂 Danke für die lobenden Worte!

      Für Posterdrucke kann man uns natürlich jederzeit sehr gerne kontaktieren 😉 Wir sind gespannt was das Jahr bringen wird.

      Liebe Grüße!

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